New York City
Paul Krugman ist emeritierter Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Princeton, Centenary Professor an der London School of Economics sowie Träger des Alfred-Nobel-Gedächtnispreises für Wirtschaftswissenschaften 2008. Er ist Autor zahlreicher Bücher und Aufsätze und schreibt seit 1999 als Kolumnist für die New York Time.
1981 erklärte der berühmte republikanische Politikberater Lee Atwater in einem Interview, wie seine Partei gelernt hat, mithilfe von Nebelkerzen Rassenvorurteile auszunutzen. „1954 begann man damit, ‚Nigger, Nigger, Nigger’ zu sagen.“ Aber in den späten 1960ern „schadete das, und es ging nach hinten los. Also sagten wir Sachen wie ‚Zwang zur Rassenvermischung’, ‚Rechte der Bundesstaaten’, und all so etwas, also viel abstrakter. Heute reden wir zum Beispiel über Steuersenkungen, also nur über Wirtschaftsfragen, aber ein Nebeneffekt von diesen Maßnahmen ist, dass Schwarze stärker darunter leiden als Weiße.“
Nun, die Zeiten der Nebelkerzen sind vorbei. Die Republikaner sind wieder kurz davor, „Nigger, Nigger, Nigger“ zu sagen.
Wie alle wissen, hat Donald Trump am Sonntag vier progressive Kongressmitglieder angegriffen. Er sagte, sie sollten „zurückgehen und helfen, die völlig kaputten und kriminellen Gegenden in Ordnung zu bringen, aus denen sie kommen.“ Allerdings wurden drei der vier in den USA geboren, und die vierte ist eine völlig legale Staatsbürgerin. Alle sind jedoch farbige Frauen.
Tut mir leid, es gibt keine Möglichkeit, dies irgendwie zu rechtfertigen oder zu behaupten, Trump habe nicht gesagt, was er gesagt hat. Dies ist ganz klarer Rassismus – nichts daran ist irgendwie unklar. Und Trump macht sich offensichtlich keine Sorgen darüber, dass es nach hinten losgehen könnte.
Trump ist kein Populist, sondern er glaubt an die Überlegenheit der weißen Rasse. Unterstützung bekommt er nicht wegen wirtschaftlicher Sorgen, sondern aufgrund von Rassismus.
Für jeden, der Trump als „Populisten“ bezeichnet oder behauptet, sein Erfolg gründe auf den „wirtschaftlichen Sorgen“ seiner Wähler, sollte dies ein Moment der Wahrheit sein.
Und da wir nun schon mal diesen klaren Moment haben, gibt es einige andere Punkte, die wir erwähnen sollten:
Erstens geht es hier nicht nur um Trump, sondern um seine ganze Partei.
Damit meine ich nicht nur, dass fast keine prominenten Republikaner Trumps Rassismus widersprechen, obwohl diese Feigheit vollkommen vorhersehbar war. Ich meine vielmehr, dass es nicht nur Trump ist, der denkt, es sei jetzt an der Zeit, den knallharten Rassismus wieder aus dem Keller zu holen.
Letzte Woche unterschrieb Bill Lee, der republikanische Gouverneur von Tennessee, eine Erklärung zur Einführung eines Ehrentags für den Konföderierten General Nathan Bedford Forrest, den er als „anerkannte militärische Persönlichkeit“ bezeichnete. Tatsächlich war Forrest ein talentierter militärischer Befehlshaber. Außerdem war er aber ein Verräter; ein Kriegsverbrecher, der afroamerikanische Gefangene massakriert hat; und ein Terrorist, der an der Gründung des Klu Klux Klan beteiligt war.
Sagen wir es so: Auch die Nazis hatten einige sehr gute Generäle. Würden die Deutschen aber ankündigen, einen Erich-von-Manstein-Tag einführen zu wollen, wäre die Welt ziemlich schockiert. Zweifellos gibt es einige Deutsche, die gern Nazihelden ehren würden. Aber sie sind nicht an der Macht. Ihre amerikanischen Kollegen hingegen sind es.
Zweitens konzentrieren sich zwar die meisten der Kommentare auf Trumps Forderung, in den USA geborene Amerikaner sollten in ihre Heimatländer „zurückkehren“, aber auch, dass er ihre imaginären Heimatländer als „kriminell“ bezeichnet, verdient unsere Beachtung. Denn seine Fixierung auf Verbrechen ist eine weitere Manifestation seines Rassismus.
Ich weiß nicht, wer sich noch an Trumps Rede zu seinem Amtsantritt erinnert. Dort ging es immer wieder um das „amerikanische Massaker“ – eine angebliche Epidemie von Gewaltverbrechen in den Städten der USA. Er hat zwar nicht explizit gesagt, aber klar angedeutet, dass diese angebliche Verbrechenswelle von Menschen ausgeht, die dunkle Haut haben. Und natürlich betonen Trump und die ihm nahestehenden Medien immer wieder, dass Einwanderer kriminell sind.
In Wirklichkeit gab es in den großen amerikanischen Städten kaum jemals so wenig Gewaltverbrechen wie heute, und alle verfügbaren Daten deuten darauf hin, dass die Einwanderer, wenn überhaupt, mit geringerer Wahrscheinlichkeit Verbrechen begehen als die Einheimischen. Aber das Verbinden von Nicht-Weißen mit Kriminalität ist unter weißen Rassisten tief verwurzelt, und dieser Glaube lässt sich auch durch noch so viele Beweise nicht erschüttern.
Wenn es überhaupt ein „amerikanisches Massaker“ gibt, sind das die immer zahlreicheren „Verzweiflungstode“ unter den weniger gebildeten Weißen – durch Drogen, Selbstmord und Alkohol. Aber dies passt den Rassisten nicht ins Weltbild.
Der neue, offene Kuschelkurs der Republikaner mit dem Rassismus sollte ein Weckruf für die – gemäßigten und linken – Demokraten sein, die manchmal vergessen, mit was und wem sie es zu tun haben.
Und schließlich sollte der neue, offene Kuschelkurs der Republikaner mit dem Rassismus ein Weckruf für die – gemäßigten und linken – Demokraten sein, die manchmal vergessen, mit was und wem sie es zu tun haben.
Dass Joe Biden die guten Beziehungen lobt, die er zu rassistischen Senatoren hatte, klingt natürlich jetzt noch misstönender als noch vor einem Monat. Sicherlich ist Biden kein Rassist, aber man muss ihm sagen, wie wichtig es ist, sich dem Rassismus entgegenzustellen, der durch die Grand Old Party fegt.
Andererseits dürfen die Demokraten auf keinen Fall irgendetwas tun, was auch nur andeutungsweise die Rassenkarte gegen ihre eigene Partei ausspielt. Ich verstehe die Frustration der Progressiven über Nancy Pelosis Vorsicht und ihre Verzweiflung über die moderaten Demokraten, die der Grund dafür sind. Diesen Ärger teilen viele von uns. Aber selbst die stursten Demokraten sind weit von der groben rassistischen Hetze der Republikaner entfernt, und jeder, der etwas anderes andeutet, verhält sich destruktiv.
Es ist natürlich verlockend zu sagen, es sei schon immer heuchlerisch gewesen, wenn die Republikaner behaupten, sie würden für Rassengleichheit eintreten. Man könnte sogar in Versuchung geraten, die Entwicklung weg von den Nebelkerzen hin zum offenen Rassismus zu begrüßen. Aber wenn Heuchelei der Preis ist, den das Laster an die Tugend bezahlen muss, sehen wir hier eine Partei, die glaubt, sich diesen Preis jetzt sparen zu können. Und das ist zutiefst beängstigend.
Aus dem Englischen von Harald Eckhoff
(c) The New York Times 2019